
Vor zwei Jahren bloggte ich über die sexuelle Belästigung meiner Schwiegermutter durch einen Altenpfleger im Stammhaus der Seniorenresidenzen Augustinum (Link). Das Augustinum reagierte darauf nicht. Die gesetzliche Betreuerin nur insoweit, dass sie sich dafür einsetzte, dass die Schwiegermutter nur noch von weiblichen Pflegern gewaschen wurde. Was dann aber erst nach einem weiteren Vorfall und unserer erneuten Beschwerde auch funktionierte. Herabwürdigend war jedoch, dass niemand aus dem Augustinum gegenüber meiner Frau reagierte. Es war schlichte Verachtung, womit man zugleich die Verachtung gegenüber der Heimbewohnerin ausdrückte, die zudem einen stolzen Pensionspreis entrichten musste, um in der Seniorenresidenz wohnen zu dürfen.
Das Augustinum wurde vom evangelischen Pfarrer Rückert und seiner Frau 1954 begründet. Ein Jahr später wurde als erste Institution des Augustinums ein evangelisches Schülerheim eröffnet. Es folgte ein Krankenhaus und eine Fachoberschule. Die erste Seniorenresidenz entstand 1962. Schnell wuchs das Unternehmen zu einem Konzern heran, der inzwischen über 385 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet. Und es ist ein typisch evangelisches Unternehmen, in dem nur gute Dinge geschehen, die der Herr wohlgesonnen betrachtet und begleitet. Sexueller Missbrauch kann da nicht vorkommen, und wer entsprechende Vorwürfe erhebt kann nur des Teufel sein. Evangelen sind somit von Haus aus gerechtfertigt und müssen sich nicht rechtfertigen, vor allem nicht gegenüber einer Tochter, die sich um das Wohlergehen ihrer hochbetagten Mutter sorgt.
Am Weihnachtsabend 2020 starb die Mutter in ihrem Appartement im Augustinum. Anfang März übergaben wir das geräumte Appartement. Bei der Übergabe überreichte ich der Mitarbeiterin des Hauses auch die Ausdrucke unserer bislang unbeantworteten Beschwerden und trug ihr unsere Enttäuschung vor, dass wir keine Antwort darauf erhalten hatten. Zudem betonte ich, dass wir immer noch eine Stellungnahme und eine Entschuldigung erwarteten. Sie nahm die Papiere entgegen, um sie weiterzureichen.
Vor einer Woche nun, nachdem wir immer noch nichts vom Augustinum gehört hatten, entschlossen wir uns, aufs Polizeirevier zu gehen. Denn der gerontophile Pfleger kann ja offensichtlich weiter ungestraft alten Leuten nachstellen und sie sexuell belästigen. Ebenso offensichtlich stellt das für den Seniorenresidenzen-Betreiber kein nennenswertes Problem dar. Hauptsache das Betriebsergebnis von 5 Millionen Euro verbessert sich weiter Jahr um Jahr.
Unsere Schwiegermutter wird sicher nicht die einzige alte Frau gewesen sein, die derartige beschämende Belästigung, ja Vergewaltigung erlebte und erleben muss. Es gibt in dem Seniorenstift etliche demente Alte, die das, was ihnen da angetan wird, nicht mehr ausdrücken können. Und selbst wenn der Täter nach dem Vorfall entlassen wurde, begeht er seine Verbrechen in einem anderen Altenheim weiter. – Auch diese allgemeine Fürsorge missachtete das Augustinum und verleugnete somit seine christliche Verantwortung.
Während der Coronakrise standen ja die „Alten“ und die Altenpfleger im Fokus der Fürsorge. An beiden Gruppen ist das politische Interesse inzwischen erloschen. Die geimpften Alten waren letztlich nur eine große Kohorte Versuchspersonen, an denen Impfstoff getestet wurde und damit auch nur ein Tupfer im großen Bild der Menschenverachtung. Jedenfalls ist das Schweigen des evangelischen Konzerns Augustinum zum beklagten Missbrauchsfall strukturell.
Klagen über Missbrauch sind lästig. Vor allem weisen sie auf Strukturen des Missbrauchs und der Schönfärberei wie der generellen Vernachlässigung der Fürsorge für die Menschen hin, die in den Altenheimen wohnen. Präventionsmaßnahmen sind dem Konzern wohl zu teuer, immerhin gibt es auf den Webseiten der Augustinum Gruppe (Link), die sich dort für die Initiation etlicher Innovationen rühmt, keinen einzigen Verweis auf Prävention vor Missbrauch und Gewalt der Heimbewohner. Wer jedoch Strukturen des Missbrauchs erkennt oder mit der Nase auf solche gestoßen wird und nichts dagegen unternimmt, der macht sich mitschuldig an gegenwärtiger und künftiger sexueller Gewalt und ist ebenso mitschuldig an der bislang geschehenen. Schließlich ist sexueller Missbrauch in Institutionen und unter dem Dach der Kirche kein neuartiges Delikt, sondern Teil des bestehenden Machtmissbrauchs in dieser Gesellschaft gegen ihre Schwächsten. Da nützt es auch nichts, wenn man sich mit der Pfarrerin Irene Silbermann eine theologische Beraterin in den Vorstand holt. Das ist nicht einmal ein Feigenblatt, sondern mutwillige Vertuschung durch vorgetäuschte Seelsorge.
Ich werde an dieser Stelle berichten, was mit der Anzeige meiner Frau im Rahmen der polizeilichen Ermittlung weiter geschehen ist.