Meins

2009 begann ich nach einer längeren Phase des Mitlesens in einem Forum, in dem sich Menschen trafen, die von ihren Müttern sexuell missbraucht wurden, selbst zu schreiben. Es war mein erstes Coming out als Überlebender. Das Forum selbst gibt es nicht mehr. Auch ein weiteres Forum mit demselben Thema, in dem ich schrieb, gibt es nicht mehr. Derzeit kenne ich kein Forum im Internet, das einen exklusiven Raum für Opfer von sexueller Gewalt durch Frauen bietet. Damals schrieb ich, um Meins vorzustellen, folgenden Text:

~+~+~+~

Liebe Freunde, nun ist mein Bericht fertig. Er hat mir große Mühe gemacht und mich sehr belastet. Den Wunsch, ihn zu schreiben, hegte ich schon über zwei Jahre. Vor vier Wochen begann ich damit. In der Mitte der Schreckensschilderung wollte ich aufhören und nicht mehr weiterschreiben. Ich unterbrach dann für gut eine Woche. – Was mir bei der Korrektur auffiel ist, wie seltsam emotionslos das ganze geschrieben ist, oder lese ich es nur so? Jedenfalls denke ich, dass ich da mittlerweile eine gute Rüstung habe, um mich bei meiner eigenen Geschichte nicht mehr im emotionalen Abgrund des Nacherlebens zu verlieren. Obwohl, müsste ich diese Geschichte mündlich vortragen, müsste ich wahrscheinlich abbrechen und käme kaum zu einem Ende.

Jedenfalls konnte ich meine Geschichte bislang immer nur in Bruchstücken erzählen. Gewissermaßen als ein Puzzle, das sich nur peu à peu demjenigen erschloss, der gewillt war, sich darauf einzulassen. Ich habe, da der ganze Bericht stark triggert, den eigentlichen Text in einen Spoiler gepackt. Bitte öffnet ihn nur, wenn ihr für solche Leidens- und Schreckensgeschichten stark genug seid. Ich selbst bin beispielsweise für solche Geschichten nicht stark genug, weshalb ich bislang noch keine wirklich gelesen habe. Ich habe es hin und wieder ansatzweise versucht, bin dabei aber von aufreißenden Gefühlen und Erinnerungen derart überflutet worden, dass ich ganz schnell abbrechen musste.

Es ist gut, dass ich Euch gefunden habe.

~+~+~+~

Ich taste mich zurück, suche den Anfang. Orientiere mich dabei weniger an der chronologischen Folge als an den Bildern und Stimmungen des Schreckens. Es war kein kausaler Exzess, keine Kumulation des Bösen. Das Böse war mit den Eltern, den Erzeugern da. Sie waren das Verrottete, die stinkende Fruchtblase, in der ich ausharrte, um in den Abgrund geworfen zu werden. Hinein in ein goldenes Nest, das aber schon damals nur noch Schein war. Aber es war für die Eltern bequem, dem Kindermädchen ein weiteres Balg in die Wiege zu legen. Ihm sollte noch eins folgen, und ihm sollte es noch schlechter gehen als mir. „Mein Leben kannst du in die Tonne treten“, meinte meine Schwester 50 Jahre später zu mir. Sie war das letzte von vier Geschwistern.

Einmal standen wir alle vier aufgereiht im düsteren Flur vor dem Schlafzimmer der Eltern. Ich muss ungefähr vier Jahre alt gewesen sein. Die Eltern waren in der Frühe vom Zechen gekommen und schliefen, während wir Kinder im Garten spielten. Wir waren dem Vater zu laut, er konnte nicht schlafen. Zweimal hatte er die Fensterläden aufgestoßen und in den Garten gebrüllt. Dann mussten wir uns aufreihen. Er prügelte ein Kind nach dem anderen durch. Mit dem ältesten begann er, ich war das dritte, dann noch meine Schwester. Ich kann mich nicht mehr an die Prügel erinnern. Wahrscheinlich dissoziierte ich schon damals. Dafür habe ich die Angst noch heute gut im Kopf, die ich vor der Schlafzimmertüre durchlitt, bis die Reihe an mir war. Also musste mir die auf mich kommende Prügel schon damals nicht fremd gewesen sein, nur so konnte ich mich vor ihr fürchten.

Sehr viel später, nachdem ich den Namen der Hölle endgültig abgelegt hatte, erinnerte ich eine andere Prügelszene; da war ich wohl 14 Jahre alt. Ich musste die Hose herunterlassen und der Vater stand hinter mir mit dem Rohrstock in seiner Rechten. Meine Entblößung schien ihm nicht zu genügen, und er streifte das Hemd nach oben. Dabei strich er mit seiner Linken wie unbeabsichtigt über mein Gesäß. Streichelte fast versonnen die heile Haut, die er gleich mit dem ersten Streich zum Platzen bringen und mit weiteren gezielten Schlägen einen Striemen neben den anderen setzen würde. Jeder Streich sollte seine eigene Wunde auftun. Er schnaufte zu jedem Schlag. Die blutige Zeichnung erregte ihn. Noch Tage danach zeichnete frisches Blut Streifen in meiner Unterhose. Beim Turnunterricht zog ich meine Turnhose mit dem Rücken zur Wand an.

Zur Zeit meiner ersten erinnerten Prügel muss meine Großmutter mein Lichtblick gewesen sein. Jedenfalls erzählte mir meine Mutter später öfters, wann immer man mir mit einem weißen Tuch winkte, schrie ich „Omi, Omi, Omi!“, weil ich dachte, meine Großmutter käme. Sie trug stets weiße Kittel im Haus. Meiner Mutter war es ein Spaß, den dummen Buben so zu verwirren.

~+~+~+~

Ich muss gerade fünf Jahre alt gewesen sein, als wir Geschwister getrennt wurden. Der Vater war pleite und hatte nicht die Absicht, seine Schulden zu bezahlen. Die Mutter ging arbeiten und nach Feierabend vertranken beide gemeinsam ihren Lohn. Man gab mich zu den Nachbarn in ein ebenfalls goldenes Nest. Die hätten mich auch gerne behalten, nur ich begann, ins Bett zu nässen, und so folgte ich meinen Brüdern ins Waisenhaus.

Dort besuchte uns die Mutter sporadisch. Einmal, es muss in dem Sommer gewesen sein, in dem ich ins Heim kam, pinkelte sie vor mir. Ich stand vor der offenen Klotüre und sah ihr zu. Dann stand sie auf, befahl mir, näher zu kommen, und hob den Rock hoch und zeigte mir ihr Geschlecht. Da kommen die Babies heraus, sagte sie unvermittelt dazu. Dann ließ sie den Rock wieder fallen. Sie trug keine Unterhosen. Später, am Abend, fragte ich die Tante meiner Waisenhausgruppe, ob sie auch Haare dort unten hätte. Zur Antwort bekam ich eine schallende Ohrfeige. Da wusste ich, dass mir meine Mutter etwas gezeigt hatte, das man nicht herzeigen durfte. Es war mitten in den prüden 50er Jahren, und ich vergrub mein Wissen in mir.

Alle sechs bis acht Wochen durfte ich über Samstag, Sonntag aus dem Heim zu den Eltern fahren. Sie wohnten möbliert in einem Zimmer zur Untermiete. Der Vater schlief meistens seinen Rausch aus. War er wach, saß ich oft lange unter seinem Schreibtisch. Dort im Düsteren an die Wand gedrückt war es gut für mich. Ich schlief bei meiner Mutter im Bett. Ich war ihr Schlafpüppchen. Ich rieche ihren Leib noch heute. Sie erzählte mir ihre Sorgen und Hoffnungen, ich hörte ihr still zu und sorgte mich dann um das gleiche und hoffte dasselbe. Zurück im Heim war ich der hübsche Bub, das Püppchen der Tanten, die ihre Brüste an mir drückten und mich auf ihren Schoß zerrten. Ich wehrte mich dagegen schon lange nicht mehr, denn zuvor, als es mir manchmal zuviel wurde, und ich dies auch zeigte, waren sie recht garstig zu mir. Also verschwand ich und ließ ihnen das Püppchen zum drücken, herzen und busseln. Irgendwann taucht das Bild eines Bruders auf, so nannten wir die männlichen Erzieher, der sich mit mir in einen Kellerraum schloss und mich an einen Stuhl fesselte und dann kitzelte, weil ich so böse gewesen wäre. Ich hatte Angst um mein Leben und redete viel und suchte dabei die Lücke in ihm, durch die ich mich zwängen konnte, damit ich im Gleichtakt mit ihm schwang und er mir darob nichts weiter tun würde, weil ich ihm gleich geworden war. Es muss mir wohl gelungen sein, denn irgendwann band er mich los und ließ mich laufen, nachdem ich ihm versprach, das Geheimnis nicht zu verraten. Ich kenne sein Geheimnis auch heute noch nicht.

Als ich zehn Jahre alt war, nahmen mich die Eltern aus dem Heim nach Hause. Sie hatten jetzt eine Zweizimmerwohnung. Der Vater war Künstler und die Mutter verdiente das Geld, und oft waren sie abends nicht da, weil sie irgendwo tranken. Meine Schwester lernte ich da erst wieder kennen, sie war kurz vor mir aus dem Waisenhaus für Mädchen geholt worden. Sie war nun das Püppchen meines Vaters und ich war immer noch das Püppchen meiner Mutter. Ich bewohnte mit meiner Schwester das eine Zimmer, das gleichzeitig das Esszimmer war.

Das Daheim war für uns beide ein Schock. Hatte uns das Heim Freiheiten und Auslauf geboten, waren wir jetzt Gefangene der Eltern. Sie brauchten uns beide für die Hausarbeit. Freunde durften wir keine einladen, und zum Spielen kamen wir selten aus dem Haus; wir seien ja schließlich keine Straßenkinder, so die Eltern. Wir litten unter der Launenhaftigkeit der beiden und waren ihren Stimmungen unmittelbar ausgesetzt, ein Ausweichen war nicht möglich. Stockhiebe gab es immer wieder. Sie waren unberechenbar, mal aus einem nichtigen Anlass, mal blieben sie dagegen nach einem schlimmen Streich aus.

Schlimmer waren die Schläge der Mutter, sie fielen unkontrolliert aus einer Raserei auf uns nieder. Der Vater hingegen war ein disziplinierter Exekutor. Nur ganz selten schlug er impulsiv zu. Wenn, nahmen einen diese Hiebe fast das Bewusstsein.

Wenn die Eltern tranken, nahmen sie öfters eins von uns beiden als Schlafpüppchen zu sich ins Bett. Betatscht wurde ich dabei nicht. Ich musste nur still liegen, damit ich die Mutter nicht im Schlaf störte. Oft klagte mir die betrunkene Mutter flüsternd ihr Schicksal. Manchmal hatten die Eltern Sex, während ihr Schlafpüppchen bei ihnen im Bett lag. Dann graute es mir fürchterlich und ich kniff die Augen zusammen und redete mir ein, dass das was geschah nicht geschehen würde. Ach, hätte ich mir auch noch die Ohren verschließen können, dann wäre es nicht geschehen gewesen.

~+~+~+~

Später zogen wir in eine größere Dreizimmerwohnung. Die beiden älteren Brüder waren in der Zwischenzeit auch aus dem Heim genommen worden. Sie kamen in die Lehre und konnten so Geld zuhause abliefern. Ich bewohnte weiterhin mit meiner Schwester zusammen das Esszimmer, das nun auch Fernsehzimmer war. Immer öfter trank ich mit den Eltern zusammen. Manchmal nächtelang mit meiner Mutter alleine. Da war ich noch keine 14 Jahre. Getrunken hatte ich schon heimlich in der ersten Wohnung im Keller der Mietskaserne. Das Trinken begann ich mit 11 Jahren. Mit 14 trank ich regelmäßig; da war ich bereits Alkoholiker.

Eines Tages, der Vater war nicht da, hatte ich mit der Mutter bis zum Hellwerden gezecht. Weil der Vater nicht da war, sollte ich bei ihr im Bett schlafen, ich war gerade 15 Jahre alt. Wir wechselten vom Tisch voller Flaschen zum Bett. Die Mutter tat auf einmal so, als wäre ich der Vater. Sie war entkleidet und präsentierte sich. Sie versuchte mich zu manipulieren, streichelte mich. Redete mich immer wieder als den Vater an. Wälzte sich, griff nach mir. Ich war erstarrt und erregt. Ich glaubte nicht was geschah. Das konnte einfach nicht sein. Schließlich zog sie mich auf sich, und ließ geschehen, was nie geschehen durfte. Sie genoss es. Ich stürzte in den Abgrund, während draußen der blassblaue Himmel vom nahenden Sonnenaufgang kündete.

Am darauffolgenden Mittag erwachte ich und wollte nicht glauben, was geschehen war. Später stand die Mutter bei mir im Zimmer und bügelte im offenen Morgenrock. Sie lief schon als ich aus dem Heim kam, oft tagelang in Unterwäsche vor mir herum. Auch beim Trinken saß sie oft in Unterwäsche vor mir. Beim Zechen mit dem Vater, betatschte der in meinem Beisein die Mutter im Schritt, und sie sah mich dabei seltsam an. Ich machte eine Andeutung: „Du warst heute nacht so unruhig?“, und sie zog sich den Morgenrock zu: „Das hast du geträumt.“ Ich gehorchte und verdrängte es. Zweimal nur brach es aus mir heraus. Einmal als ich meine Frau kennenlernte, einmal als ich das erste Mal bei einem Psychologen der Drogenberatung saß. Es war kaum mehr als der eine Satz: Ich habe meine Mutter gefickt! Der Psychologe meinte mit entsetztem Blick, ob ich darüber sprechen wollte. „Nein, nein, stimmt nicht, war nur so dahingesagt“, zog ich mich im selben Moment wieder zurück. Meiner künftigen Frau erzählte ich etwas mehr. Da war gleichfalls Entsetzen in ihrem Blick, aber auch Schmerz, liebevolles Mitleid; darum auch Vertrauen. Aber erst spie ich es ihr vor die Füße, weil ich es nicht wirklich sagen konnte. Es musste raus. Noch einer außer mir musste es wissen. Doch viel konnte ich ihr damals nicht sagen, ich wollte nicht mehr in den Abgrund schauen. Was ich sagte war Oberfläche, funktionaler Ablauf, und das nur spärlich. Dann verschloss ich mich wieder. Erst Jahrzehnte später konnte ich mehr von der Hölle sprechen.

Es wiederholte sich nicht. Der absolute Tabubruch blieb einmalig. Dafür blieb ich weiter Saufkumpan der Mutter und war fortan so etwas wie ihr Vertrauter. Sie erzählte mir beim Trinken, wie ihr Liebhaber es ihr besorgte und wie der Vater sexuell versagte. Er versagte offenbar nur bei ihr, während er bei meiner Schwester seinen Mann stand. Zuletzt verdrosch er ihr den nackten Hintern als sie 16 Jahre alt war. Bald darauf ließ er sich von ihr, wenn Mutter in der Arbeit war, zum Mittagsschlaf betten, und nahm sie als sein Schlafpüppchen gleich mit ins Bett. Nur wenige Male bekam ich es mit, wenn ich krank zu Hause und nicht in der Lehre war. Ich hörte die Geräusche durch die Türe und getraute mich nicht, sie aufzureißen und reinzugehen. Nur einmal, als mir in Erinnerung kam, wie ich als 13jähriger versuchte, meine Schwester vor Hans dem Maurer zu schützen, schlug ich die Türe auf. Das Bild, das ich sah, möchte ich heute noch nicht erinnern. Es bleibt im Hintergrund des Unvergessenen. Der Vater nur noch in Leiberl und Unterhose, die Unterhose von seiner Erregung leicht gespannt; die Schwester halb entkleidet. Sie schäkerten. Er versuchte, sie zu sich zu ziehen. Ich schloss schnell wieder die Türe, nachdem mich beide, so erwischt, mit blöden Gesichtern anglotzten.

Hans der Maurer kam bei Bekannten, bei denen wir die Ferien verbrachten, eines Nachts ins Austragshäusel, in dem meine Schwester und ich schliefen, und legte sich zu ihr ins Bett. Ich lag im Bett in der anderen Ecke der Kammer und redete mit beiden bis die Sonne aufging. Ich dachte, so würde ich ihn hindern, ihr etwas zu tun. Erst unlängst, vor wenigen Jahren, anlässlich des 80. Geburtstages der Mutter, erfuhr ich von ihr, dass er ihr, während ich zu ihrem Schutz plapperte, sein Geschlecht ebenso in die Hände gedrückt hatte wie ein paar Jahre später der Vater, wenn er sich von ihr zum Mittagsschläfchen betten ließ; und dazu sagte sie: Der Vater war noch schlimmer als Hans der Maurer.

Einmal, bei einem Gelage mit meinem Vater wollte er mir erklären, wie man eine Frau im Stehen zu nehmen hat. Er wollte es auch praktisch erklären und drückte mich gegen den Schrank. Er war berauscht von seinem Einfall, den Sohn „aufzuklären“. Er sah in mir die Frau, die er im Stehen begatten wollte. Griff mir in den Schritt, verbohrte sich mit seinen Fingern in meinem Damm und drückte seinen Unterleib und sein Geschlecht von unten gegen mich. Er ließ mich erst los, als er seine Demonstration beendete; was voraussetzte, dass ich alle seine Erklärungen und Anweisungen, wie ich die Beine zu spreizen und anzufassen habe, willig bejahte. Da stand ich gegen den Schrank gedrückt und war ganz weit weg, und was da war nickte und bejahte. In dieser Nacht kam ich nicht mehr zurück, der Rest, der blieb, trank mit dem Vater weiter.

Nach der Mutter, ich war gerade 16, kam die Frau meines ältesten Bruders. Sie war 18 Jahre älter als ich. Weil mein Bruder es in dieser Nacht mit einer anderen Frau treiben wollte, nahm sie mich als ihr Schlafpüppchen. Ich lag still und ließ es mit mir geschehen. Es dauerte ein ganzes Wochenende und währte drei weitere Jahre. Es ekelte mich, ich wollte nicht, aber ich konnte nicht weg. Einen Teil dazu tat der Alkohol und den Rest meine Angst, vor ganz normalen Jugendlichen meines Alters. Deren Zärtlichkeit erschreckte mich, war mir unheimlich, weil zärtlich und rein und nicht ergreifend und schmutzig. Mich, das Schlafpüppchen ficken und weglegen, so verstand ich Sexualität. Ich redete mir dazu den Gemeinplatz von der reifen Frau ein, die den Jüngling in die „Liebe“ einweihte. Redete mir ein, dass ich meilenweit vom Blümchensex meiner Altersgenossen entfernt sei. Dabei wurde ich von der Schwägerin nach Strich und Faden missbraucht. War der Lustknabe, bei dem sie – nicht wissend nach der Mutter – die Erste war, den sie dressieren konnte. Dies zu erkennen und die Lebenslüge eine Lüge zu nennen, dauerte Jahrzehnte. Hatte ich doch auch diese Zeit erfolgreich verdrängt, tief in mir begraben und allenfalls nur noch Oberflächliches erinnert.

Als ich meine Frau kennen lernte, entstieg ich dem Abgrund. Sie war wie ich ein zerstörter Mensch. Reif im Grauen und unreif fürs Leben. Seelische Grausamkeit von den Eltern, von der Mutter jungfräulich mit einem sadistischen Mann verkuppelt, und beschimpft, nachdem sie dessen Schläge nicht weiter aushalten wollte. Jegliches Selbstwertgefühl war ihr von den Eltern ausgetrieben, ausgeredet und abgesprochen worden. Wir beide trafen uns, zwei Lotosblüten, die dem Sumpf entstiegen. Beide längst drogensüchtig, verbrachten wir noch ein Jahrzehnt im Rausch, ehe wir sauber werden konnten. Durch die Suchtselbsthilfegruppen stabilisierten wir uns. Blieben sauber. Leben heute beide mehr als 30 Jahre drogenfrei, und haben beide vor ungefähr 10 Jahren damit begonnen, unsere elende Kindheit und Jugend, den fortgesetzten Missbrauch in dieser Zeit mit psychologischer Hilfe aufzuarbeiten und uns dem Durchlittenen zu stellen.

~+~+~+~