Superwoman – Die Scheinheilige

Maria_Mond_SchlangEin Auszug aus meinem Therapietagebuch vom 8. Juli.

Er lebt. Es triggert ihn. Er schreibt. Er schreibt über das, was ihn indirekt triggert, was erst über eine Assoziationskette zum Auslöser werden könnte, als könnte er alle Stolperdrähte der großen Falle PTBS im Vorfeld durchtrennen und als wäre dann die Falle aufgelöst. Eigentlich auch das therapeutische Konzept posttraumatischer Seelenarchäologie, zuerst einmal den verseuchten Sand, Eimerchen um Eimerchen von der verschütteten Seele zu schaufeln, dann abzupinseln, um schließlich den verbliebenen Rest der zertrümmerten Seele freizulegen und sehr behutsam zusammenzufügen.

Das Blog Lotoskraft ist zu einem Teil des Grabungsfeldes geworden und zugleich zu einem Areal der Rekonstruktion von Meins. Denn in der Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen und privaten Haltung zum Kindesmissbrauch in all seinen widerlichen Auswüchsen von sexualisierter über sadistische und psychische Gewalt, als auch der Deprivation und Missachtung von Kindern, vor allem auch durch Mütter, die scheinheiligen Madonnen, finde ich mich in der Welt wieder, finde einen Grund, der mich trägt, auf dem ich wieder Gewicht erlange, um hierdurch eine Ahnung von Selbstzentriertheit und natürlicher Seelengravität zu gewinnen. Insofern ist das Blog therapeutisch (das auch vor therapeutisch habe ich gestrichen, denn es müsste nachgesetzt werden, was unsere Sprache jedoch nicht hergibt).

In erster Linie ist das Blog für mich ein Medium, um mich in dieser abweisenden Welt zu finden und zu behaupten, dann erst, in zweiter Linie, um etwas von der erlittenen Verletzung zurückzugeben, und schließlich, zum dritten, um etwas zu bewirken, damit Kinder nicht der Willkür ebenso dummer wie bösartiger Eltern so unbeachtet und hilflos ausgesetzt werden, wie es mir geschah. Gleichzeitig weiß ich aber auch, dass sich die Gesellschaft in ihrer Dummheit und Boshaftigkeit nur geringfügig verändert und das Problem in andere Felder verschoben wird, in die Krippen und Kindergärten, in die Schulen und Universitäten, und dass die neuen Opfer dieser Verschiebung überwiegend männlich sein werden, weil sie von Frauen, die ihr Frausein als die Priorität ihres Daseins verstehen, geringeschätzt werden.

Warum kann sich das Mutterbild nicht grundsätzlich dem Vaterbild angleichen, das in seiner Ambivalenz eben durchaus komplett erscheint, als der fürsorgliche, liebevolle und ebenso auch als der strafende und verheerende Vater; wie wir es ja als Götterbild kennen? Während das andere ambivalente Götterbild der Frau und Mutter – wie es uns etwa in den Figuren einer Shakti oder Frau Holle in vielen Religionen begegnet – in unserer abendländischen Kultur leider nicht als Metapher auf die reale Frau übertragen wurde. Hier wurde sie zur stets guten und mitfühlenden Frau, und verlor die Gestalt der Furie, der Rasenden, die sie zwingend auch ist. Sie wurde zur Madonna, die zwar in ihrer Symbolik auch die wechsellaunige Mondin verkörpert; doch gehört es zur Madonnensymbolik, dass sie den Mond – also das urweibliche Wesen – gleichermaßen wie die Schlange mit Füßen tritt. Sie ist die Überwinderin der gemeinen Frau, die Superwoman, und lebt als allgegenwärtiges Introjekt scheinbar positiver Verdrängung in unserem allgegenwärtigen Frauenbild fort.

Eine Gesellschaft aber, die sich in ihren Metaphern derart belügt, bleibt eine dauerhaft morbide Gemeinschaft.

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