Den Tätern ein Gesicht geben

Wie schauen Kinderschänder aus? Sicher nicht wie der böse Wolf im Rotkäppchen oder die böse Hexe in Hänsel und Gretel. Der eine missbrauchte Mädchen, die andere Buben. Jedenfalls sind die verwendeten Metaphern im Märchen unübersehbar. Doch die Wirklichkeit ist anders. Kinderschänder sind keine erkennbaren Monster, sondern ganz normale Leute, wie du und ich; andernfalls müssten wir Überlebende nach den mendelschen Regeln ebenfalls wie Monster aussehen.

In letzter Zeit spuken die beiden Eltern, die mich missbraucht und misshandelt hatten, als Schreckensbilder wieder häufiger in meinem Kopf herum, oder werden scheinbar gegenständlich, sobald ich in den Spiegel blicke; dann halluziniere ich, sofern ich nicht rechtzeitig zuvor wegsehe, ihre Visagen in meinem Spiegelbild.

Also meine ich, es ist an der Zeit, dass ich die Täter sichtbar mache. Ein wenig erhoffe ich mir dabei eine magische Exposition: indem ich die Visagen der Täter zur Schau stelle, banne ich sie zugleich! Dahinter steht ein alter magischer Gedanke, wie wir ihn von den Schreckmasken an Kirchenfassaden ablesen können. Damals kehrte man gleichfalls das Fürchterliche nach außen, damit das Böse vor sich selbst erschrickt und flieht. Die Gesichter der beiden Täter habe ich mit einem gelben Passepartout umfasst, um sie abzusondern. Gelb war im Mittelalter die Farbe, mit der man Gesindel – die Aussätzigen, Juden und Huren – markierte.

Ich kann die Eltern nicht mehr anklagen, darum klage ich sie hiermit an; denn diese meine Klage wenigstens symbolisch zu führen ist mir ein Bedürfnis, und diese Darstellung erscheint mit als ein gangbarer Weg der Satisfaktion.

Ich habe kaum Fotos von den Eltern – man fotografierte in der Familie nicht, sondern vertrank lieber das Geld -, und die wenigen Fotos, die ich von ihnen besaß, vernichtete ich schon vor einer ganzen Weile. Daher sind von der Mutter nur zwei Fotografien auf meiner Festplatte vorhanden. Vom Vater fand ich ein Bild im Internet. Beide sahen wirklich nicht wie Monster aus. Der Vater war ein stattlicher Mann, die Mutter eine Schönheit. Beide galten als ehrenwerte Leute. Die Fotografie vom Vater zeigt ihn mit geschätzten 60 Lenzen. Die beiden Bilder der Mutter zeigen sie im Alter von 25 und 81 Jahren.

Ich besaß noch ein Bild, das mich mit beiden zeigte als ich 16 Jahre alt und von der Mutter bereits entjungfert und vom Vater wohl schon vergewaltigt worden war. Diese Fotografie, die die ganze psychische Überwältigung von Meins erkennen ließ, hatte ich längst zerrissen, nachdem ich sie einmal zufällig entdeckt hatte. Sie war mir ekelhaft. In einer Therapiestunde Ende Juli 2013 war diese Fotografie jedoch wieder Thema. Damals hielt ich in meinem Therapietagebuch nachstehendes fest:

Das darf sie nicht, sagt das Kind und schluchzt. Und später sagt es, ich war nie da, war nur ein Ding. Nein, man legt sich kein Kind ins Bett, wenn man damit den Partner meint. Nein, man herzt kein Kind, will man damit die eigene Ohnmacht in Macht verkehren. Nein, man macht ein Kind nicht zu seiner Marionette. Kinder sind keine Puppen für verkorkste Erwachsene.

Ich berichte von der wabernden Brust, dem Lockruf nach dem Mann, dem Vater in meinem Spiegelbild, ich erzähle von dem Foto, auf dem ich in der Mitte der beiden bösen Clowns als dummer August, als Watschenmann der Clowns stand, das Foto, das ich spontan zerriss und wegwarf, als ich es sah. Der Ekel der Erinnerung steckt mir heute noch im Hals. Ein Bursche, der mit anderen Burschen und Mädels rumhängen sollte und nicht wie so oft getan mit seinen elterlichen Schändern im nächsten Wirtshaus abhängen.

Ich berichte davon und komme auf die Düsternis zu sprechen, die mich seit der letzten Exposition begleitet. Auf die Gefahr, sie sich rational herbei zu deuten, wo sie doch spürbar ein irrationales Geschehen in sich birgt. Ich mäandere um die Dunkelheit, um die Verletzlichkeit, die ich empfinde, und die Ohnmacht, die ich empfand, die mich immer nur jenen seinließ, den andere von mir erwarteten. Über die Ohnmacht, als sie ihre laszive Forderung ins trunkene Morgengrau rief, flüsterte, bettelte. Die Ohnmacht, wie sie mich mit unsichtbarer Macht herüberzog, mich zum Mutterficker machte, nein, zum Partner machen wollte. Es war Plan, es war kein Einfall, es war die Wahrheit der Trunkenen, sie wollte das, und ihre Umarmungen davor waren nur verklemmtes Spiel, ihrer anstößigen Lust, mich ganz zu besitzen, den Knaben ganz zu haben, ihn zu beherrschen.

Er war so weit, sie ahnte es, nein, vielmehr, sie wusste es. Man hatte einen Schatten aus ihm gemacht, der nur sichtbar wurde in ihrem Licht. Und je nachdem wie sich die Schattenwerfer bewegten, tanzte er ihr Spiel. Es war nur ein Schatten, nur eine Illusion für die man seinen Schoß öffnete. Es war niemand und darum war es nichts, wenn es geschah, und so konnte es geschehen.

Und es war da Lust, große Lust, ihn mit unsichtbaren Fäden zu bewegen, ihn auf sich, in sich zu ziehen. Sein widerstreben steigerte noch die Lust, denn es machte die Macht über ihn noch deutlicher, wie er die Schwelle seiner Selbst durchbrach, der süße Widerstand, der, schnell gebrochen, ihn zum Opfer machte, man hatte ihn, ganz, in unerhörter Weise. – Dies ist die Düsternis, die mich seit einem Monat umstellt, mich verdunkelt, die Willfährigkeit, die Macht der anderen, mich in ihrem Sinn zurechtzubiegen. Meine Hilflosigkeit, meine Verlorenheit, meine Luftigkeit, mein Nichtdasein-Dasein. Gewiss es geht nicht mehr so leicht und dennoch, es geht immer wieder nicht. Es ist ein beständiges Ringen, den Raum für mich zu behaupten und nicht andere in meinem Raum walten zu lassen. Es ist eine dunkle Macht. Es ist das Davor, das die Geschichte zur Geschichte machte. Das Geschehen selbst war selbsttätige Verblendung, bis mir das Licht aufging und der Geschändete seine Schändung unterbrach. Die Geschichte davor, diese gelungene Übergriffigkeit, seine geile Gier auf ihn zu übertragen, ihn zum Instrument zu machen, diese Möglichkeit geschaffen zu haben, ist die eigentliche Schmach, das Meisterstück der Schänder. Wir haben ihn, er wird alles machen, was wir von ihm wollen. Er ist eine Puppe, mehr nicht.

Puppe fick mich. Puppe brich dir die Glieder. Puppe leck mich. Puppe schluck. Puppe stürz dich aus dem Fenster. Puppe sauf dich zu. Puppe leg dich in den Müll. Puppe sei Puppe für alle Puppenschänder. Puppe fick uns. Puppe leck uns. Puppe lass dich ficken. Puppe friss den Kot, bis du daran erstickst. Wir können mit dir machen, was wir wollen, und wir wollen dich  darum nicht, denn mit deiner Fügsamkeit zeigst du uns unsere Grausamkeit. Komm Puppe, lass dich rupfen, lass dich brechen, lass dich prügeln, lass dich ficken, du bist nichts, bist nur Puppe.

3 Gedanken zu “Den Tätern ein Gesicht geben

  1. Jetzt hab ich doch mal geguckt beim Lotosritter und bin sehr betroffen und ich weiß – wie sehr solche „PuppenimGebrauch“ sich danach nur noch verstört im Leben bewegen können und besonders im gesellschaftlichen Leben so wenig durch Verständnis unterstützt fühlen und erst spät, sehr spät wagen darüber zu reden. Für Männer wohl noch ein übleres Ding m.e. denn in unserer Gesellschaft heißt es: ein Mann hat stark zu sein, ein Mann lässt keine Schwäche zu…..und deshalb wünsche ich Dir ganz viel Mitgefühl für Dich und Deine Machtlosigkeit im Früher. Ja, es geht bei all diesen Themen um Macht und nicht um Sex.
    Gut, dass Du jetzt dem Ausdruck verleihst und auch Gesicht.

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