Mein Eindruck vom Wahlkampf ist, bis auf eine Oppositionspartei werden dem neuen Bundestag nur Einheitsparteien angehören. Zudem waren Fragen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt kein Thema in diesem Bundestagswahlkampf, in dem überwiegend Randthemen behandelt wurden; insofern hätte das Thema Opferschutz und Opferentschädigung als weiteres Randthema durchaus noch seinen Platz in der Auseinandersetzung gehabt. Im Wahlkampf aber waren Prävention vor sowie die Opfer von Kindesmissbrauch kein Thema. Wir Überlebenden sind somit sieben Jahre nach Runden Tisch und Medienhype nicht einmal mehr eine Marginalie wert.
Also suchte ich im Internet nach einem Vergleich der Wahlprogramme zum Thema sexuellem Kindesmissbrauchs. Auf der Seite von „Stand up – Prävention in Schule“ wurde ich fündig. Es ist übrigens die einzige Seite mit einem solchen Vergleich im Netz (siehe Link).
Danach ist in diesem Bundestagswahlkampf für FDP und Die Linke das Thema sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen keinen Programmpunkt wert. Für CDU und CSU ist zumindest der Punkt: Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz, ein Thema. Allerdings hat dieser Programmpunkt nichts mit Opferprävention und Opferentschädigung zu tun, sondern stellt im harmlosen Fall nur eine Epimone dar, nämlich eine gedankliche Wiederholung der im Grundgesetz verankerten Menschenrechte. Im ärgsten Fall jedoch schränkt ein solches Recht das Elternrecht ein und erlaubt ein erhöhtes Zugriffsrecht des Staates auf das Kind und seine Erziehung, weswegen als passender Ort für den Eintrag etwaiger Kinderrechte auch der Artikel 6 des Grundgesetzes vorgesehen ist.
Es handelt sich also bei diesem Gedanken nicht darum, die ohnehin garantierten Menschenrechte des Kindes zu verbessern, sondern darum, Kinder im Namen eines staatlich definierten Commonsense ideologisch zu gängeln. Mit Kinderschutz und Schutz vor sexuellem Missbrauch hat dieser Paragraph allenfalls am Rande zu tun. Die Publizistin Birgit Kelle hat hierzu in der Welt ausführlich Stellung bezogen (siehe Link).
Also zählen die Unionsparteien ebenfalls zu den programmatisch Desinteressierten am Thema sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen und der Hilfe für die erwachsenen Opfer von Kindesmissbrauch
Bleiben noch die Grünen und die SPD. Dass die Grünen beim Thema Kindesmissbrauch Falschmünzerei betreiben, darüber habe ich jüngst hier gebloggt (siehe Link). Darüberhinaus scheinen die Grünen mehr an der Vermehrung von Arbeitsplätzen für ihr Sozialarbeiterklientel interessiert zu sein, als an konkreter Hilfe für gefährdete Kinder. Denn die Ausweitung von Präventionsangeboten ist eine billige Forderung, wo es längst in jeder Kleinstadt entsprechende Beratungsstellen gibt. Hier ist die Arbeit des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) ausreichend konkret und effektiv. Hingegen übersehen die Grünen typischerweise, dass Hilfen für Mädchen allenthalben vorhanden sind, spezielle Hilfsangebote für Jungen allerdings kaum existieren, und wenn doch sie überwiegend wie bei Tauwetter Berlin seltsam feministisch affin erscheinen.
Etwas ausführlicher ist die SPD, die auch Jugendmedienschutz und Schutz vor Mobbing in diesem Zusammenhang erwähnen. Beide Parteien sprechen sich zudem auch entschieden für eine Fortsetzung der Arbeit des UBSKM aus.
Zum Schluss noch ein Blick auf die AfD, die ich für die einzig echte Oppositionspartei im künftigen Bundestag erachte. Auch bei ihr sind Prävention von Kindesmissbrauch und Opferschutz kein Thema. Diese Problematik wird nur einmal indirekt angesprochen und zwar beim Programmpunkt zur Sexualkunde, wo die AfD schulische Frühsexualisierung anprangert und sofort beendet wissen will. (Punkt 7.7.1 hier)
Alles in allem bleiben die Überlebenden sexualisierter Gewalt in ihrer Kindheit und Jugend bei den allen Parteien außen vor. Wir interessieren nicht und generieren auch keine gerechte Empörung mehr, die sich wahltaktisch instrumentalisieren lässt. Folglich scheint es für Politiker aller Couleur nicht der Mühe wert zu sein, sich wirklich für unsere Anliegen einzusetzen. Was letztlich darauf hinausläuft, dass auch in der kommenden Legislaturperiode kaum eine Reform des OEG in unserem Sinne beschlossen werden dürfte – außer wir verstehen es, der Politik an der richtigen Stelle Feuer unterm Hintern zu machen. Ich werde mich jedenfalls bemühen …
Und zum Schluss passend zu unseren Wünschen: Ton Steine Scherben „Wenn ich König von Deutschland wär“: