Mein Therapietagebuch schloss ich im August 2019. Zuvor stürzte ich wegen Schwankschwindel und riss mir zwei Bänder am rechten Sprunggelenk. So war Baden im See für den Sommer auch vorbei, denn über grobe Kiesel ins Wasser eiern erschien mir zu gewagt. Nicht anders eierte ich mal mehr oder minder unbewusst durch die Zeit, doch mit der beginnenden Nichtzeit der Coronaquarantäne wusste ich, der Eiertanz muss ein Ende haben. Also machte ich mich wieder auf die Suche nach einem Therapieplatz; womit auch mein Therapietagebuch wieder auflebte. Hier der Blick ins neue Kapitel:
Rosenmontag 2020
Ich dachte nicht, dass ich dieses Tagebuch fortsetzen werde, schließlich ging es mir nach Beendigung der Therapie mit S.W. am 2. August. 2019 nicht schlecht. Ich dachte gar, dass ich nie wieder eine Psychotherapie aufnehmen müsste. So schrieb ich vor über einem halben Jahr zum Abschluss der Therapie: „Es war eine gute Stunde und ein guter Abschluss meiner achtjährigen Traumatherapie. Denn eins ist mir an diesem Punkt klar, eine neue Traumatherapie werde ich nicht beginnen.“
Elf Tage später noch eine letzte Notiz über eine E-Mail, in der ich mich bei S.W. bedankte, und in der ich meine Albträume erwähne: „Ein heftiger Alptraum plagt mich. Ruth weckt mich, weil ich schreckliche schnarrende Laute von mir gebe. Ich erwache nur schwer. Nach dem Toilettengang erlischt die Erinnerung an den Traum bereits.“
Allerdings blieben nicht nur die Albträume, es zeigten sich auch andere Symptome, die mich mahnten, um das Erreichte zu bewahren, mit einer Stabilisationstherapie zu beginnen. Da fiel mir, nachdem ich versuchte, mein Gesicht im Spiegel ohne Angst und Trigger zu betrachten auf, dass mir dieses Gesicht fremd geworden war. Es blickt mich an, ich weiß, es ist meins, und dennoch ist es nicht ich, nicht mein Gesicht, sondern nur ein Gesicht. So beschränke ich mich weiter auf den funktionalen Blick, ein Wimmerl hier, eine Falte dort, wo Creme oder Korrekturstift ran müssen.
Doch beunruhigten mich vor allem zwei Phänomene. Einmal meine zunehmende Scheu, das Haus zu verlassen, und zum anderen, meine Selbstentfremdung, die mir fehlende Meinhaftigkeit. Mich im Diffusen zu verlieren, ist keine Befürchtung, sondern ein Erleben. Es ist eine andere Art der Dissoziation, denn entschwinde ich dort mir, entschwinde ich hier überhaupt, indem ich nicht aufscheine; ja, nur eine engmaschigeres Sieb im Fluss der Ereignisse bin, die mich im Grunde nichts angehen, sondern nur soweit tangieren, als dass ich sie siebe. Beispiel ich male ein Bild und male es nicht. Es gibt für mich keinen persönlichen Bezug zum Bild. Emotional ganz sicher nicht, da herrscht nicht mal Alexithymie; sachlich nur dahingehend das Bildaufbau und Technik den Regeln folgen. Doch mit mir hat es nichts zu tun. Da sitzt eine Person die malt. Am Ende gibt es eine Person, die über das Bild staunt. Fertig. Mit mir hat das ganze nichts zu tun, so wenig wie die Albträume, die mich plagen, sie sind so da, wie jeden Tag Wetter ist.
Jedenfalls waren diese Empfindungen Anlass, meine grundsätzliche Überlegung „nie wieder Therapie“ zu revidieren und zu erkennen, dass ich mich nicht gerade auf einem sonnigen Steig befinde. So kam mir das Verlangen nach einer stabilisierenden Therapie in den Sinn, das ich heute mit einem ersten Gespräch in der Traumaambulanz der LMU anging. Dank Ruths Anruf wurde das Gespräch relativ rasch terminiert.
W., die Psychotherapeutin ist aufmerksam und professionell. Ich berichte meine Problemlage, die hintergründig von der siechen Schwiegermutter getriggert und vordergründig von Phobien und zunehmenden Verlust meiner Meinhaftigkeit bestimmt wird. Wir sprechen über die Möglichkeiten, die von der Kasse her gegeben sind. 14 Stunden sind noch verblieben, doch die hätten bis um 2. 2. 2020 abgerufen sein müssen. Da wäre die Frage der Kulanz zu checken. Eine andere Frage wäre die des Therapiewechsels von VT auf AT, nur wird letztere nicht von der Traumaambulanz angeboten. Ich frage, ob sie festangestellt sei – sie bejaht, andernfalls könnte ich ja in Kunst bezahlen; was sie apart findet, aber eben vergeblich ist.
Meinen Vorschlag, mich alle vier Wochen aus dem Wasser zu fischen, weist sie ab. Sie meint, ich bräuchte, so wie ich mich darstelle, Therapie im Wochentakt. Jedenfalls wird sie mein Anliegen im Team erneut besprechen und sich dann äußern. Gut, wir werden sehen …
Gegen Ende der Stunde zieht mich eine mächtige Dissoziation aus dem Hier und Jetzt. Ich bemerke es, unterbreche, fasse mich, sie kommt wieder, ich strenge mich an, präsent zu bleiben, es gelingt ein wenig. Jedenfalls taumele ich nach der Stunde heftig, der Schwankschwindel hält den Rest des Tages an. Ich schlafe gegen Abend lange. Es ist wenig besser. Die Stunde hat mich mehr gefordert, als ich dachte. Warum, weshalb, wieso, ich weiß es nicht, es erstaunt mich nur.
Anderntags träume ich heftig alb, so heftig, dass ich dabei auf Ruth einschlage, weil auf ihrer Seite gerade der geträumte Feind liegt, der mich herausfordert und vernichten möchte. Zuvor schrieb ich über Resilienz und startete das Projekt Resilienztag. Hierbei las ich über Meinhaftigkeit und kam zu der Erkenntnis, dass ich Ruth nicht zu weiteren Besuchen bei ihrer Mutter drängen darf, nur weil ich wegen mangelnder Meinhaftigkeit mich an die Täterin hefte.
Ja, die Stunde hat mich gefordert; wie sehr bemerke ich erst am Donnerstag nachdem ich mich wieder munter in anderer Verfassung erlebe und mir näher rücke.
26. März 2020
Die Schwiegermutter lebt noch. Die Coronakrise bietet vordergründig ein Besuchsverbot, so dass Ruth nicht beschließen muss, was sie andernfalls beschließen würde. Wir werden sie jedenfalls nicht mehr lebend sehen wollen. Es ist der persönliche Abstand, der die Reflexion über das Geschehene erlaubt. Durch sie manifestierte sich, was in der persönlichen Begegnung beiseitegewischt wurde, um nicht sofort aus dem Zimmer zu laufen, was kindliche Ergebenheit, anerzogene Elternverehrung, verschleierte: die unverschämte Respektlosigkeit der Eltern gegenüber ihren Kindern. Es waren Gesten der Abweisung, die Ruth trafen. Sie wurden womöglich nicht mehr bewusst gesetzt, sondern waren nur charakterliche Temperamente der Narzisstin. Doch sie trafen das Kind in ihr, das sie schon vor fünfzig Jahren verkraften musste, das mit dieser Abweisung leben musste und nirgends Trost fand. Und dann war da der eine Blick, der Blick der gewiss Dementen, doch ebenso der Blick der kalten Mutter, in dem so viel von ihrem Wesen lag, der ihr so ganz entsprach, voll Verachtung für ihre Tochter, die nicht so wurde, wie sie werden sollte, die nie ihrer narzisstischen Vorstellung entsprach. Mit großen erstaunten Augen betrachtete sie Ruth, die an ihrem Bett saß: „Du hier!?“, sprachen sie. Die Alte blieb wortlos. Nur der Blick sprach Befremdung darüber, dass sie sich in den bald 70 Jahren, die sie mit Missachtung zu formen versuchte, nicht formen ließ. Die Tochter, ihr gottlob misslungenes Werk. Kaltes Staunen, Unverständnis und kein Funken Augenlicht, lieblose Verwunderung über das, was sich ihr ihrer Lebtag widersetzt hatte. Das war das letzte stille Wort am Totenbett, auch wenn der Tod, trotz Corona sich nicht einstellen mag. Egal, er wird kommen, hoffentlich bald, damit dieses Zerren ein Ende hat und die seelischen Bande endlich durchtrennt sein werden.
Und da saß ich an diesem Halbtotenbett einer Sterbenssiechen, sah sie an, lächelte, weil ich ihr Sympathie zeigen wollte, da fragt sie böse, warum ich dauernd lächle, ich lächle weiter, bleibe still, weil es auf diese Bosheit keine Antwort gibt. Ich muss den Grund ihrer Boshaftigkeit nicht erforschen. Es hat mit mir nichts zu tun, so wie vieles was geschieht, geschieht, auch wenn ich es nicht bezeuge oder wahrnehme. Und damit bin ich wieder bei meiner Selbstentrückung oder Ichdystonie. Es gibt in mir keinen Ort, in dem ich Ich bin, es gibt ihn allenfalls im äußeren, in Beziehungen, in Kommunikation, wo ich interagiere, doch auch da ist sehr viel Maja; schließlich interagiere ich nicht als Ich, sondern als Projektion dessen, was man in mir sieht. Da ist das Kind, das in so vielen Situationen nur überleben wollte und sich deshalb per Mimikry den Tätern anpasste, damit es nicht verschlungen würde.
Es fiel mir immer wieder auf, wie ich agierte, wie ich nicht Ich, sondern Wer war, und hielt dies für ein komödiantisches Talent, doch es war es nicht, es war der Rest, der von mir geblieben ist, die Bruchstücke nach dem Seelenmord.
Dieser Tage wieder, wo ich in der Netflix-Serie „Better Call Saul“ den Konflikt zweier Brüder beobachte und der eine sich dem anderen immer wieder für ein wenig Anerkennung beugt und sich selbst verleugnet, erkenne ich es wieder, wie seltsam verwaschen ich in der Welt stehe – ja mich immer noch suche und nicht weiß, wie ich mich finden könnte. Da entsteht zum einen der Wunsch in mir, es den Geschwistern nochmal richtig schmerzhaft zu servieren, wie sie mich missachtet haben, wie ich ihr Fußabtreter war. Doch ich war ja nichts davon, ich war nur der Larifari, den sie in mir sehen wollten. Was sie verachteten war letztlich nur das Abbild, das sie sich von mir formten. Und ich weiß es nicht einmal genau, wie es denn nun aussah. Auch in ihrem Bick fand ich mich nicht, sondern verlor mich nur einmal mehr.
Ich bin so seltsam beschäftigt und in jeder Beschäftigung ein anderer. Vielleicht ist dies normal. Doch höre ich von anderen, dass sie in sich selbst sind, klar Ich; ein voller Raum voll Ich. Hingegen bin ich ein leer geräumter Raum, ohne Ich, nur ein paar Fetzen, ein paar Bruchstücke meiner zerrissenen und zerschmetterten Seele liegen darin. Prima, ich kann es gut skizzieren, doch die Skizze ist letztlich auch nur eine kleine Klugelei, eine Argumentation, um etwas zusammenzufügen, was Meins sein könnte. Doch es bleibt dabei Meins fügt sich nicht … heute meinte ich zu Ruth … sie konnte vergangene Nacht nicht schlafen, weil ich sagte, ich hätte kein Zuhause. Sie dachte dann sie sei die Ursache, weil sie mir nicht mehr genüge, und fand aus lauter Verzweiflung keinen Schlaf und plante schon, was sie alles ändern wollte, sollte …
Dabei wollte ich ihr nur sagen, dass ich keine Heimat hätte. Die einzige Heimat, die ich bislang gefunden habe, sei sie. Und so ist es. Also denke ich mir manchmal, ob das nicht gefährlich sei, seine Heimat nur in einem anderen Menschen zu haben. Ob das nicht ein wenig zu fragil sei? Ist es nicht. Ich entstehe nicht als ihre Reflexion, vielmehr bin ich bei ihr der, der ich bin, weil sie da ist. Ich bin ihr Gegenüber aus mir heraus, aus den Bruchstücken, die ich bin, heraus. Ich bin bei ihr authentisch. Wenn auch für sie oft befremdlich, weil so unverständlich, so wechsellaunig, so … nun ja, erkennbar nicht komplett. Doch diese Narben trage ich vor ihr unverhüllt. Ich bin das Narbengesicht meiner Seele, das darf ich bei ihr sein, und darum fühl ich mich bei ihr wohl, das ist Heimat …
Irgendwie habe ich dennoch die Vorstellung, dass man diese Person ein wenig mehr zentrieren könnte, indem man sie zusammenrückt, jedenfalls ist das mein Therapieziel und hierfür werde ich mir einen Therapeuten suchen. Wir bleiben am Ball.
6. Mai 2020
Die Schwiegermutter lebt immer noch, doch durch die Quarantäne der Coronakrise wurden unsere guten Vorsätze, uns von ihr fernzuhalten, nicht weiter geprüft: es herrscht Zutrittsverbot zum Altenheim. Es gilt noch bis Vorabend des Muttertags am 10. Mai. Von da an soll eingeschränkter Zugang möglich sein.
Indessen waren meine Sorgen ganz anderer Art. Ich hatte in der Quarantäne weiter nach einem Therapieplatz gesucht. Fragte bei der Traumaambulanz von Haar nach, erhielt schließlich die Adresse eines Ärztefortbildungszentrums für psychotherapeutische Ärzte und dort einen Termin am 4. Mai bei Frau Dr. G. Mein üblicher Vorlauf begann Freitags mit Schwankschwindel und verstärkten Dissoziationen. Der Nachlauf war nicht minder heftig, als ich am Montag um ein Uhr aus der probatorischen Stunde herauskam, hatte ich heftigen Schwindel und schlief nach zweitem Frühstück und zwei Stunden Handwerkerei vier Stunden lang am Stück. Es war anstrengender als ich dachte und beschwerte mich noch am Dienstag mit Absencen und Flashbacks.
Vorneweg kam ich zu spät, weil ich wegen meiner Atemschutzmaske nochmal zurück musste. So hetzte ich zur Adresse in Neuhausen. Kam dort an, musste mich auf einer schmalen Treppe in den Keller wendeln, um meine Hände zwecks Corona zu waschen. Dann trafen wir uns in einem großen Raum, einer Bibliothek mit ausgestellten Bildern. Ein Bild zog meine Beachtung, in ihm Bilder im Bild „Reitendes Paar am Strand“ von Max Liebermann sowie „Blaues Pferd“ von Franz Marc, davor beiden Bildern abgewandt eine Mittelstandsblase von fünf Leuten. Das Motiv vielleicht: Gutbürger, die Gurlitts Sammlung restituierten. Oh, und weil ich zu spät war ließ mir Dr. G. keine Zeit, den Raum zu erkunden und die Bilder zu betrachten. Erst meinte ich, sie sei die Sprechstundenhilfe, doch dann erkannte ich die entfernte Ähnlichkeit von ihr mit ihrem Bild aus dem Internet.
Gut ich setzte mich an den Tisch, genauer die beiden Tische, die zusammengerückt standen und etwa zwei Meter Corona-Abstand boten. An beiden Stirnkanten je ein Stuhl, ansonsten war der Raum außer den verglasten Bücherschränken rundum unmöbliert. Da war Geld im Raum. Die Bücherwände sicher von Paschen. Dennoch der Tisch, die beiden Stühle und wir beide an den Kopfenden gegenüber, das hatte für mich Stasi-Atmosphäre aus „Aufarbeitungsfilmen“. Jedenfalls saß ich ein lange Weile seitlings. Blickte in die Hedwigstraße gegenüber, auch ein Jugendstilhaus, verfing mich in dieser Flucht und den Stuckaturen. Erst später, nachdem mir meine Flucht und unterschwellige Dissoziation bewusst wurde, rückte ich frontal und sah Dr. G. direkt an. Dann lief das Gespräch wieder mit mehr Präsenz meinerseits. Der Anlass zum Umsetzen war ihre Frage, ob sie es merken würde, wenn ich dissoziiere, ich meinte, nur wenn sie mit mir eingeübt sei. Dann später einmal ein Moment, wo ich wirklich dabei war, den Verhörsaal zu verlassen, merkte sie es nicht, merkte auch nicht, wie ich mich zurückzwang. Ich wollte es sagen, doch ich spürte für mich, dass es das Gespräch nur noch mehr beschweren würde und hielt mich schon darum im Ansatz an.
Was ich erzählte? Ich weiß es und weiß es nicht. Ich war zynisch, als ich die Familienkonstellation skizzierte. Dieser Wahnsinn geht nur mit Zynismus. Ich enttäuschte sie sichtlich, als ich den Vater als Hauptvergewaltiger verneinte und dafür die Mutter als jene benannte, die mich 10 Jahre lang sexuell belästigt hatte. Der Vater war der Sadist, der Prügler und der Quäler, er griff mich nur einmal sexuell an, und das genügte für ein Trauma für sich, dafür fickte er meine Schwester; seine Enkelin vergaß ich, was bei dem Drecksloch von Familie, aus dem ich kam, auch nicht allzuschwer ist, die eine oder andere traumatische Begebenheit zu vergessen. Jedenfalls versöhnte Dr. G. der Inzest des Vaters mit meiner Schwester ebenso ersichtlich mit ihrem Vorurteil. Gegen Ende dann, kam die Katze aus dem Sack, sie mache keine Traumaarbeit und überhaupt machen die wenigsten Kollegen hier Traumaarbeit. Sie könne sich aber ümhören. Zudem sei ich erstaunlich gut sortiert und wirke sehr selbstbewusst, jedenfalls wüsste ich, was ich wollte. Ja, das verdanke ich inzwischen neun Jahren Therapie. Nur wo man bei mir ansetzen könne, sei ihr nicht klar, das würde auch einen therapeutischen Ansatz schwierig machen, denn sie machen hier keine VT, sondern nur analytische und tiefenpsychologische Therapie. Dann kam ihr knapper Versuch mir den Ablauf einer solchen Arbeit zu skizzieren. Dass es auf die Beziehung zu dem Therapeuten ankäme, um gemeinsam etwas zu erarbeiten. In Beziehung gehen …? wie bitte …? ja, sie hatte erkennbar noch nicht mit Missbrauchsopfern gearbeitet.
Jedenfalls erhielt ich so den letzten Drall zum Schwindel, drehen und schwanken, perfekt, als psychotherapeutischer Schaukelbursch wäre sie nicht schlecht. Schließlich blickte sie zum dritten Mal auf ihre Uhr, die Zeit sei schon lange um, und komplementierte mich hinaus. – Okay, Bock auf mehr habe ich gerade nicht. Dann eher erschießen oder ganz einfach zersplittert weiterleben.
„Bist du da?“, fragte mich Ruth heute. Geht es dir schlecht? Ich weiß es nicht, dazu bin ich heute noch zu wenig bei mir angekommen …
Ja, komplett möchte ich werden, war meine Antwort auf ihre Frage nach meinem Therapieziel … Ich weiß nicht, ob sie überhaupt verstanden hatte, was ich damit meinte, denn darauf erzählte sie mir ihre Beobachtung, welch stabilen präsenten Eindruck ich auf sie machte. Ich musste daran denken, wie mir auf der Frankfurter Buchmesse eine Lektorin die Seiten eines vorgehaltenen Buches umblätterte, damit ich weiterlesen konnte, wie sie dabei erschauerte von meiner Präsenz, und wie ich in Wirklichkeit so gar nicht da war und nur davonlaufen wollte, wenn Ruth nicht neben mir gewesen wäre und ein wenig Halt bot.
Meins geht weiter voran, Meins ist noch nicht am Ende …!