Es geht um das Schweigen über Kindesmissbrauch in Gesellschaft und Familie. Das Schweigen, das Verbrechen ermöglicht und uns insgesamt korrumpiert. Ich beginne mit einem Auszug aus meinem Therapietagebuch:
„Überhaupt Dissoziationen, sie müssen erheblich sein, denn Ruth macht mich immer wieder auf Aussetzer aufmerksam. Typisch wird, dass ich auf belastende Umstände und Fragen gar nicht antworte und sie als solche auch nicht wahrnehme. Es braucht da schon deutliche Hinweise, bis ich mich hierfür kurzfristig öffne. Anhaltend sind derlei Momente meist nicht. Auffällig war zuletzt meine dissoziative Absence bei einer Auseinandersetzung mit ihr in Nürnberg. Das war ohnehin eine Triggerfahrt an das Grab des 1929 gestorbenen Großvaters väterlicherseits. Ein glühender Maientag, dazu das Grübeln über das Warum in dieser Familie. Wir legten jeder einen Stein auf sein Grabmal. – Gibt es so etwas wie mendelsche Charaktersprünge von Generation zu Generation? Es wäre eine Erklärung, warum unser Sohn ein Drecksack ist. Ob der Großvater ein Drecksack war, weiß ich nicht; der Vater erzählte nur einmal von ihm, dass er einen brennenden Ast vom Weihnachtsbaum gebrochen hatte.
Ich vagabundiere von Foren zu eigenen Texten zu Schwankschwindel und leiser Furcht vor meinem Antlitz. Von allem ist etwas und nichts ist rund. Ich möchte meine Geschichte in den Graben kotzen, doch sie lässt sich nicht auswerfen wie ein schlechtes Mahl. Ich verstehe, weshalb sich manche ritzen: es ist wohl die stille Hoffnung, der Dreck könne aus einem fließen. – Das sind jene Momente, wo mich alle Spiritualität verlässt, wo ich zu einem schweren Klumpen werde. Bröselig bleibe ich dennoch dabei …
Später in der Therapiestunde sprach ich über die Mutter, ihren Blick, den sie im zuvor geträumten Alb auch aufgesetzt hatte. Es war dieser prüfende Blick, dem sie Ruth und mich unterwarf, ob ich mich noch erinnere, ob Ruth etwas weiß, und es war stets in ihm auch eine verhaltene Aggressivität, nach dem Motto: wagt es ja nicht, darüber zu sprechen. – Kein Gedanke, in dieser Familie wurde nie darüber gesprochen, nicht dass der Vater meine Schwester fickte, nicht dass er mich vergewaltigte, nicht dass die Mutter mich missbrauchte. Was für ein kranker Haufen war das denn gewesen?
Die Frage stellte ich mir auch, als wir an jenem rekordverdächtig heißen Maitag am Grab des Großvaters standen. War er bereits ein Täter, der Täter schöpfte? Ich will es nicht glauben … Ich sprach mit ihm; erinnerte mich an seine Tochter, die Tante, die meinte, dass ihr Bruder schon als Kind zu allem zu faul gewesen war. Eine Feststellung, die ich bezeugen kann. Er, der Vater, war faul, versoffen und gefräßig. Somit einigte ich mich mit dem Großvater, da auch unser Sohn ein ebenso fauler und verlogener Lümmel ist, dass sich die schlechten Charaktereigenschaften wohl stets im Sprung über zwei Generationen mendeln. Demnach hätte die Enkelin, seine Ururenkelin, wieder eine Chance.“
Mokita
Es gibt Ereignisse von denen mancher nicht wissen will. Werden sie dennoch angesprochen, verschließen wir unsere Ohren und sagen: Bitte sprich nicht weiter, ich will es weder hören noch wissen. Ja, ein jeder von uns hat sein Thema, mit dem er sich nicht belasten möchte. Also verdrängt er es. Und der beste Weg, ein Thema aus der Welt zu schaffen, ist: nicht darüber sprechen, auf dass niemand davon hören kann. Dann wird die Schrecklichkeit zur Fama und verliert sich womöglich.
Noch bedrückender wird das Schweigen, wenn alle wissen, was wirklich vorgefallen ist, und gerade deswegen niemand davon sprechen mag, weil der Vorfall schlicht für alle beschämend ist, oder die althergebrachte Ordnung infrage stellt. Beispielsweise Deutschland nach dem Krieg: Dass die meisten Deutschen bis zum Fall von Stalingrad 1943 mit dem Naziregime einverstanden waren, war ein unbestreitbarer Fakt. Nach 1945 war dieser Fakt beschämend, also wurde er relativiert oder geleugnet, doch am besten wurde darüber geschwiegen. Man hatte fortan andere Sorgen, die Juden, die die Shoa überlebt hatten, wurden gesammelt und als DP (Displaced Person) nach Palästina oder in andere Länder umgesiedelt. So verschwanden sie aus dem Blick. Nur selten sah man noch ehemalige Ausschwitzhäftlinge mit tätowierter KZ-Nummer an ihrem linken Unterarm. Die Wahrheit schien hierdurch beinahe verwischt.
Das kollektive Verschweigen von Wahrheiten, von Ereignissen von denen jeder weiß, nennt man Mokita. Der Begriff entstammt der Sprache Kiriwina, die auf den zu Neuguinea gehörenden Trobriand-Inseln gesprochen wird und bedeutet: „Wahrheit, die jeder weiß, aber keiner anspricht“. Mokita ist also in etwa das, was wir ein offenes Geheimnis nennen; doch eben nur in etwa, denn es ist eine Wahrheit – ein Fakt, ein Wissen – die Allgemeingut ist und zugleich tabuisiert wird. Womit wir beim sexuellen Missbrauch, speziell beim sexuellen Kindesmissbrauch sind. Denn Kindesmissbrauch ist eine Wahrheit (siehe hier). In Deutschland werden 750.000 Kinder pro Jahr geboren, gleichzeitig wurden über 13.500 Fälle von Kindesmissbrauch zuzüglich 600 Fälle von Missbrauch von Schutzbefohlenen und Jugendlichen angezeigt. Das bedeutet für die Wahrheit, die wir alle kennen, dass Jahr für Jahr 20 von 100 Kindern Opfer sexueller Gewalt wurden (Statistik hier). Eigentlich müsste es darob einen nicht mehr endenden Aufschrei durchs ganze Land geben; doch es herrscht Stille. Außer den üblichen Betroffenen, den professionellen Helfern und Überlebenden von Kindesmissbrauch, spricht kaum jemand darüber.
Spinnen wir die statistische Erkenntnis weiter, bedeutet das, dass bei 1,5 Geburten pro Frau in jeder siebten Familie ein missbrauchtes Kind lebt. Und da 80 % der Missbrauchsfälle in Familien und ihrem Umfeld stattfinden, kann man daraus schließen, dass in jeder sechsten Familie Kinder sexuellen Missbrauch erleiden. Doch über diese Kinder, die von ihren Verwandten und Bekannten missbraucht werden, sprechen wir nicht, wenn überhaupt sprechen wir über Kinder, die durch familienferne Personen wie Lehrer, Trainer, Priester, Sozialarbeiter oder Fremde missbraucht werden. Im wesentlichen sprechen wir allerdings nur über den Kindesmissbrauch katholischer Priester. Im Gegensatz zur evangelischen Kirche gilt hier das bis 2010 gehaltene Mokita nicht mehr. Ja, es ist gewissermaßen für jeden Untertan Empörungspflicht, sobald über Kindesmissbrauch gesprochen wird, über die Kirche zu klagen; und je nach politischer Haltung der Gesprächsteilnehmer dürfen noch die Grünen mit einbezogen werden, die ihre Verbrechen hyperaffektiert auf die katholische Kirche projizierten. Hier dürfen Wahrheiten ausgesprochen werden.
Doch warum gibt es Mokita, für das wir selbst kein Wort haben? Offensichtlich war es in der überschaubaren Gesellschaft der Trobriander – etwa 20.000 Menschen – eine Notwendigkeit, über gewisse Dinge nicht zu sprechen. Die Gesellschaft war streng zweigeteilt in Adel und Untertanen. Folglich wusste wohl jede der beiden Schichten etwas über die andere, was man, um den sozialen Frieden nicht zu gefährden, nicht an die große Glocke hing. Nicht weniger „schonend“ wirkt Mokita innerhalb der Familien, der fremde Kinderschänder ist der Leibhaftige, der Verwandte oder Bekannte dagegen, der sich am Kind vergeht, wird geschont, indem man seine Schändlichkeit verschweigt. Allenfalls achtet man darauf, dass er nicht mehr mit dem Kind alleine ist. Doch neben dem Kind gilt es vorrangig, die Gemeinschaft zu schützen. Die Schmach, einen Kinderschänder im eigenen Kreis zu haben, darf nicht nach außen dringen. So bleiben die Hierarchie nach innen sowie das Ansehen der Familie und ihr Stand außen erhalten.
Schande in die Familie zurückreichen
Es zählt zwingend zum Mokita, dass die zu verschweigende Wahrheit bekannt ist, damit das gemeinsame Schweigen über sie die Gemeinschaft zusammenschweißt. Dies ist für die Familien ebenso notwendig wie für Institutionen und Gesellschaften. Das bedeutet für meinen Fall, die einstige Familie von Meins muss die Wahrheit über meinen Missbrauch kennen, damit sie darüber schweigen kann. Das bedeutet, die Wahrheit muss allen am Mokita beteiligten offenbart werden. Man spricht zwar nicht über sie, doch man vermittelt sie einander. Denn wird die Wahrheit nicht vermittelt, versinkt sie, wird unkenntlich, während das Trauma in der Familie weiter wirkt. Wir kennen dies von den Enkeln der Weltkriegsgeneration, viele Opfer, Täter und Soldaten, die Zeugen unmenschlicher Schrecklichkeit wurden, kamen aus dem Krieg zurück und schwiegen. Gleichwohl gaben sie das Trauma, das sie erlitten oder verursacht hatten, mit ihrem schier unerklärlichen pathologischen Verhalten weiter. Hierdurch mutierten die Leichen in ihren Kellern zu unverständlichen Wiedergängern, zu Albträumen und Tabus. Erst nachdem die Enkel oder Urenkel ihre Familiengeschichte recherchieren, kann Linderung eintreten; schließlich leiden viele der Nachgeborenen, die die Wahrheit ihres Mokita nicht kennen, durch die vorangegangene Prägung ihrer Familie an seelischen Beeinträchtigungen. Inzwischen wissen wir auch, dass Spuren von Traumata über die Epigene an die nächste Generation weitergereicht und jederzeit durch entsprechende Umstände aktiviert werden können. Dieses Geschehen wird unter dem Begriff transgenerationale Epigenetik erforscht.
Die Wahrheit in die Familie zu transportieren war mit mein Anliegen, als ich 2015, ermutigt durch meine damalige Psychotherapeutin, meinem mittleren Bruder meinen Missbrauch durch die Mutter und den Vater via einer im Internet hinterlegten Datei offenbarte. Doch der Bruder reagierte darauf nicht. Später am Telefon, darauf angesprochen, verneinte er, die Datei geöffnet zu haben. Da sie aber geöffnet worden war, konnte, sofern er es tatsächlich nicht war, der sie geöffnet hatte, nur seine Frau gewesen sein. Jedenfalls versandete so meine Absicht, den Missbrauch in die Familie zurückzureichen. Ich bloggte vor einem Jahr darüber hier.
Nachdem ich drei Jahre später auf dem jüdischen Friedhof in Nürnberg am Grab des Großvaters stand, erhielt ich von meinem Neffen, die Geburtsanzeige seiner zweiten Tochter. Ich nahm sein Billet zum Anlass, neben unserer Gratulation auch auf die Familiengeschichte und damit auch auf das Missbrauchsgeschehen – eine der Leichen im Keller der Familie – hinzuweisen. Ich schrieb dazu:
Wir haben vor zehn Jahren den Familiennamen auch standesamtlich rückwirkend von meiner Geburt an abgelegt. Gleichwohl sondiere ich in der Vergangenheit nach Anhaltspunkten, die über den bekannten Rahmen dieser verwahrlosten Familie hinausreichen.
Jedenfalls leide ich seit 10 Jahren mit ausgelöst durch die Namensänderung an einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (kPTBS). Ich befinde mich deswegen seit acht Jahren in Traumatherapie. Ursächlich für die kPTBS sind der sexuelle Missbrauch durch die Mutter und der sadistisch-sexuelle Missbrauch durch den Vater; also Deine Großeltern väterlicherseits.
Falls Du über den Wahnsinn Deiner Familie väterlicherseits etwas nachlesen möchtest, kannst Du dies via Internet tun. Ich unterhalte dort ein Blog, in dem ich über sexuellen Kindesmissbrauch, insbesondere dem an Jungen, schreibe.
Wir wünschen für Euch, dass Ihr von den Familientraumata weitgehend unbeschadet bleibt und ein selbstbestimmtes und gut besonnenes Leben führen könnt, so dass die heranwachsende Generation vom Kreis des skizzierten Elends nicht weiter umschlossen bleibt.
Eine Reaktion blieb über die vergangenen acht Wochen aus, womit der Neffe wie sein Onkel vor drei Jahren auch erkennbar nicht-reagierte. Er will damit nichts zu tun haben und meint wohl, es mit Mokita ertragen zu können. Vermutlich besuchte er das Blog und weiß nun um das Familiengeheimnis, um die Wahrheit der geschehenen Verbrechen, er beteiligt sich am Mokita. Dabei wäre gerade das Gespräch darüber der Bruch, der ihn herausführen könnte. Allerdings braucht ein solches Gespräch Mut, um den Schrecken zu überwinden. Dass er mir mit seinem Schweigen nebenbei noch meinen Stellenwert in dieser elenden Familie aufzeigte, wurde mir ebenso deutlich. Ja, es kann ja sein, dass der inzwischen 40jährige Neffe sprachlos angesichts meiner Offenbarung war, die zudem, sofern er mein Blog geblättert hat, noch viel mehr traumatische Ereignisse erhellte, kann ich nachvollziehen. Doch diese Sprachlosigkeit folgt dem Mokita: Einweihung und Schweigen! Es hätte ja genügt, zu sagen: Deine Mitteilung ist angekommen und ich bin sprachlos über das, was man Dir angetan hatte. Doch da selbst das nicht geschah, weiß ich einmal mehr, die Regeln des Mokita sind einfach und klar: „Wahrheit, die jeder weiß, aber keiner anspricht“. Ich habe sie verletzt, er und der Bruder halten sie ein. Ich bin der Spielverderber, weil ich heilen will, was durch und durch verdorben ist: die Familie. Ich verhalte mich dahingehend wie alle geprügelten, geschändeten und missachteten Kinder, ich bettele um die Liebe der Lieblosen, anstatt zu akzeptieren, dass ich in diesem Verbund keine Liebe finden werde.
Kirche
In diesem Zusammenhang verstehe ich auch das Mokita der Kirche. Mokita lässt sich nicht lösen, lässt sich nicht ansprechen, es gibt keine Versöhnung, das alles braucht es nicht, niemand will Heil werden, niemand will Therapie, außer den Opfern. Die Täter fühlen sich indes in ihrer schmutzigen Wäsche wohl, sie müssen sie nicht weißwaschen. Mokita, das allgemeine Wissen und allgemeine Schweigen über die Schändlichkeit genügt. Genau dieses feige Verhalten eint; und die Union der Sünder ist das spezielle Merkmal jeder Religion. Deswegen gibt es auch so gut wie keine Aufdeckung aus der Kirche heraus. Selbst der vielgelobte Rektor des Canisius Kolleg in Berlin, Pater Klaus Mertes, war kein Aufdecker, stattdessen waren es die ehemaligen Schüler, die sich, nachdem sie seine Abbitte für erlittene sexuelle Gewalt an der Schule durch die Patres erhielten, an die Presse wandten und somit den Skandal öffentlich machten. Mertes verstieß nur gegen die Regel des Mokita, er sprach an, was nicht angesprochen werden durfte. Während die Überlebenden des Missbrauchs das Mokita offensichtlich nicht verstanden, denn indem sie die Wahrheit öffentlich machten, brachen sie die Strukturen des Missbrauchs auf, die bislang ein stabiles System darstellten. Die Opfer schwiegen und die Täter wurden durch das Schweigen gezügelt. Das Schweigen gewährte keinem neuen Opfer Schutz, versöhnte keinen Überlebenden, doch es bot der Institution Schutz, unter deren Mantel das Verbrechen geschah. Darum wird auch, sobald das Mokita gebrochen und die Schandtat doch im Büro eines Abtes oder Bischofs ruchbar wurde, das Verbrechen reflexhaft vertuscht und durch Sprachlosigkeit „geheilt“.
Diese Sprachlosigkeit offenbart sich obendrein in Geschwätzigkeit. Denn geredet wird in der Kirche als auch zwischen Kirche und Staat seit einem viertel Jahrhundert, wie man den Missbrauch eindämmen könnte. „Eindämmen“, was für ein falsches Wort, als handele es sich beim Missbrauch – bei der massenhaften Vergewaltigung von überwiegend Jungen aber auch insgesamt tausenden von Mädchen durch Priester – um eine Naturkatstrophe, um einen wilden Fluss, den man zähmen könnte. Diese Sprachlosigkeit demonstrierte überdies Papst Franziskus in seinem „Schreiben an das Volk Gottes“, in dem er im ersten Item bemerkte, eine „Kultur des Todes auszumerzen“. So setzt sich sein blumiges Geschwätz fort. Massenvergewaltigungen in Sakristeien, Pfarrhäusern, Kinderheimen sind keine Kultur des Todes, sondern ein fortgesetztes geduldetes und institutionell vertuschtes Sexualverbrechen. Es ist auch nicht nur, wie der Papst meint, ein Macht- und Gewissensmissbrauch, sondern es sind organisierte Verbrechen einer absolut korrupten – ja, gewissenlosen Institution, die alles verhöhnt, missachtet, wofür sie meint, zu stehen. Sie schwätzt, schwätzt mit den Mächtigen, schwätzt mit den Missbrauchsbeauftragten der ganzen Welt und betreibt doch nur Mokita, um sich selbst und das gesellschaftliche System der „Honorablen“ zu schützen. So sieht kirchlicher Kinderschutz aus; und der Staat macht mit, und die Gesellschaft, in der in jeder siebten Familie Missbrauch geschieht, macht mit. Daneben gibt es jene Familien, die wissen, was für ein Verbrechen alltäglich im Nebenhaus geschieht. Das Mokita zur sexualisierten Gewalt an Kindern ist das höllische Pech, das unsere Gesellschaft in übelster Weise zusammenhält. Darum auch fordere ich: die Namen der Kinderschänder in Familien und Institutionen müssen veröffentlicht werden. Das Mokita muss seine Macht verlieren!
Der Mechanismus der strukturellen Korruption geht soweit, dass die Kirchen als Institutionen, die jahrzehntelang die Täter deckten, ohne Überlegung von Politik und Öffentlichkeit als die Ansprechpartner für die Aufdeckung und Aufarbeitung ihrer eigenen Schändlichkeit gelten. Das ist so pervers, als verpflichtete man den Vater, der seine Tochter vergewaltigte, dazu, sein Verbrechen mit der Tochter aufzuarbeiten. Nebenbei, solche Perversität gibt es in der Tat. Bei „psychoanalytischen“ Familienaufstellungen nach Hellinger müsste dann die missbrauchte Tochter zu ihrem Vergewaltiger sagen: „Papa, für die Mama tat ich es gerne“. (Quelle: GWUP) Wobei die Spitze dieser Perversion ist, dass Hellinger über 20 Jahre katholischer Priester war; sein krankes Denken also gewissermaßen dem Bauch der Kirche entstammt.
Das System muss vor den Opfern geschützt werden. Die Überlebenden sind nicht so wichtig, sie kommen eh nur als Schwerbeschädigte aus diesem Schrecken heraus. Das System aber ist mehr, es ermöglicht überhaupt die Emergenz, die Selbstoptimierung einer verdorbenen Gesellschaft. Also installiert man Missbrauchsbeauftragte und Aufarbeitungskommissionen während der Missbrauch weitergeht. Bundesweit gibt es das Hilfetelefon Sexueller Missbrauch 0800 22 55 530, doch es ist eine unbekannte Rufnummer. Während allüberall mit großem Aufwand für Kondome geworben wird, was ja auch volkswirtschaftlich Nutzen bringt, gibt es für das Hilfetelefon keine öffentliche Werbung. Auch das gehört zum Mokita, in das viele weitere Momente eingebunden sind. Hinweise finden wir genügend, überall dort, wo das Schweigen gebrochen wurde, zeigt sich auch, dass oft Jahrzehnte vergehen mussten, bis ein Missbrauch aufgedeckt wurde.
Wenn überhaupt, haben wir bislang als Gesellschaft nach einem ersten Schritt nur einen zweiten Schritt getan. Doch ich zweifle daran, denn angesichts der jüngsten Aufdeckungen von organisiertem Kindesmissbrauch in unserer höchsten moralischen Institution, den Kirchen, fehlt mir die wirkliche Empörung. Wir sind müde geworden, wir sind willig, uns in dem Sündenpfuhl zu wälzen und unsere Empathie und Sympathie mit den Opfern, den Überlebenden dieser schrecklichen Verbrechen, zu verkleistern, indem wir auf das Geschwätz der Täter und ihrer mächtigen Kumpanen hereinfallen und wieder eine neue Art von Mokita einrichten: Wahrheit, die jeder weiß, und über die jeder schwätzt!
Nachtrag
Zu Weihnachten 2018 erreichte uns ein Billett des Neffen, in dem er einen Abriss des vergangenen Jahres gab. Das Mokita funktioniert, er weiß ja nun etwas, aber er redet nicht darüber, seine Frau ebensowenig. Kein Wort, kein Jota, verraten, dass er meinen Brief erhalten hat, dass er weiß, dass mich seine Großmutter und sein Großvater sexuell missbrauchten und misshandelten. Nichts! Als wäre nie etwas offenbart worden; als wäre ich mit meiner Geschichte nicht da. Es ist die gleiche Diskriminierung, wie ich sie durch den Bruder erfahren habe – ich bloggte hier darüber. Dafür teilten mir Neffe und Schwiegernichte mit, dass sie dafür sorgten, dass es ab Januar in der Kita „vollwertiges Bioessen“ gibt. Somit teilten sie mir auch durch die Blume mit, dass ich fortan ein halbwertiger Onkel bin. Dem man einmal im Jahr ein Weihnachtsbillett einwirft, ansonsten aber … Mit wem auch immer, aber nicht mit mir. Ich beteilige mich nicht mehr an meiner Diskriminierung. Ich habe mit der Mischpoke nichts mehr zu tun.
2 Gedanken zu “Strukturen des Missbrauchs am Beispiel von Mokita”