Übermalung

Familienfest 1

Die künstlerische Auseinandersetzung mit zurückliegenden traumatischen Ereignissen ist eine Notwendigkeit, um dem sprachlosen Entsetzen entgegenzuwirken und der Seele Ausdruck zu verleihen; wobei die Seele oft mehr verrät als der Künstler meint, aus sich heraus mitzuteilen. Deswegen bleiben Bilder und Schriftstücke auch für Meins, dem Raum des Überlebenden, oft rätselhaft, als würde die Seele ihre Äußerungen verschlüsseln. Aus diesem Grund lehne ich auch eigene Interpretationen meiner Bilder ab; denn was ich heute so deute, mag ich morgen in einer anderen Konstellation von Meins wieder anders deuten.

Insofern ist es einerseits auffällig, aber für mich nicht ungewöhnlich, dass sich meine Bildsprache von Bild zu Bild stark verändert. Ihre Kontinuität besteht vor allem in ihrer Diskontinuität. Zu vielen Bildern habe ich auch ein Haiku, genauer gesagt ein Senryū verfasst. Diese 17-silbigen Gedichte sind eine besondere Herausforderung; denn den Schrecken so zu verdichten, ohne ihn dabei zu banalisieren, ist mir eine eigene therapeutische Disziplin geworden.

Nebenbei bemerkt, eine ähnliche stilistische Veränderung meines Ausdrucks beschert mir auch mein Schriftbild. Je nach Textsorte und Befindlichkeit von Meins variiert meine Schrift. Manchmal so sehr, dass der Text auch von verschiedenen Charakteren geschrieben worden sein könnte. Jedenfalls würde ein Graphologe bei mir verzweifeln. Insofern geben Typoskripte grundsätzlich weniger Informationen über ihren Verfasser preis als Manuskripte.

Fürderhin möchte ich hier einige Bilder von mir veröffentlichen. Die Signatur habe ich zwecks meiner Pseudonymität verfremdet. Gleichwohl unterliegen die Bilder dem Copyright. Wer sie an anderer Stelle zeigen möchte, sollte mich darum um Erlaubnis fragen.

Über und unter diesem Beitrag sehen Sie je eine Appropriation einer Fotografie von einem Familientreffen, als die Mutter von mir, die Täterin 81 Jahre alt war. Zu dieser Zeit war meine PTBS noch nicht akut.

Die Personen auf dem Bild von links nach rechts: Ein depressiver Bruder, der alles in sich hineingefressen hat. Einen Überlebenden = Meins. Die Täterin, die Mutter der Kinder. Einen sexuell übergriffigen Bruder; ob er auch Täter ist, vermag ich nicht zu sagen. Eine Schwester; auch sie eine Überlebende, die jedoch ihren erlittenen Missbrauch aus der Welt zu schweigen versucht.

Familienfest 2

Hinterlasse einen Kommentar